Der Wert von Immobilien - einige rechtliche Überlegungen
In einem kürzlich ergangenen Bundesgerichtsentscheid (4A_633/2016 vom 6. September 2017) machte ein Kläger geltend, der Verwalter eines Immobilien-Anlagefonds hätte die sich in diesem Fonds befindlichen Liegenschaften zu tief bewertet und der Anleger hätte deshalb bei der Rücknahme der Anteilsscheine nicht den ganzen Anteil am tatsächlichen Verkehrswert des Fondsvermögens erhalten. Weiter wurde geltend gemacht, dass aufgrund der zu niedrigen Bewertung des Fondsvermögens die Emissionspreise bei der Ausgabe von neuen Anteilen zu tief gewesen seien und damit die bisherigen Anteilseigner verwässert worden seien.
Da sich der Sachverhalt im hier besprochenen Entscheid in den Jahren 1978 bis 1989 abspielt, kommt noch das bereits ausser Kraft stehende Bundesgesetz über die Anlagefonds zur Anwendung. Die Überlegungen sind jedoch auf die heutige Gesetzeslage übertragbar.
Heute kommen in einem solchen Fall das Bundesgesetz über Kollektivanlage ("KAG"), die zugehörige Verordnung ("KAV") und die Richtlinie für Immobilienfonds vom 2. April 2008 der Swiss Funds & Asset Management Association ("Immobilienfonds-RL-SFAMA") zur Anwendung. Danach wird Verkehrswert sofern kein aktueller Börsenkurs besteht als der Preis definiert, "der bei einem sorgfältigen Verkauf im Zeitpunkt der Schätzung wahrscheinlich erzielt würde" (Art. 88 Abs. 2 KAG).
Das Bundesgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es den objektiv richtigen Verkehrswert einer Immobilie nicht gibt (4A_202/2014 E. 5). Dem ist zuzustimmen: Es ist nämlich selbst bei einem sorgfältigen Verkaufsprozess nicht sicher, dass der "objektiv richtige" Wert abgerufen wird, sei es weil der Käufer einen Liebhaberpreis bezahlte oder weil von der Liegenschaft selber unabhängige Faktoren dazu geführt haben, dass der "richtige" Käufer nicht abschliessen konnte oder wollte.
Entsprechend kommt das Bundesgericht im besprochenen Entscheid zum Schluss, dass nicht das Resultat, d.h. der schlussendlich bestimmte Schätzungswert der Immobilie, sondern der Weg dahin entscheidend ist. Der Anleger hat danach einen Anspruch darauf, dass eine Fondsleitung eine korrekte Verkehrswertschätzung vornimmt; eine Haftung der Fondsleitung dafür, dass die Schätzung objektiv zutrifft, besteht dahingegen nicht. Für das korrekte Vorgehen kann primär auf die Immobilienfonds-RL-SFAMA verwiesen werden, wo die zulässigen Methoden und das Vorgehen im Einzelnen beschrieben werden. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann das Resultat einer Verkehrswertschätzung nicht nach objektiven Kriterien als richtig oder falsch bewertet werden und Schätzungsabweichungen in der branchenüblichen Grössenordnung von + / - 10 % zu tolerieren sind, ohne dass von einer nicht mehr korrekten Bewertung gesprochen werden kann.