Drittmittelfinanzierung - Gerechtigkeit ohne finanzielles Risiko?
Ihr Tag vor Gericht kann teuer werden
Die Liste der Prozesskosten ist lang: Gerichtskostenvorschüsse, die Kosten des eigenen Anwalts, Prozessentschädigungen an die Gegenpartei im Falle eines Unterliegens, Beweiskosten. Die Frage, den Prozessweg zu beschreiten, wirft nicht nur juristische, sondern auch finanzielle Fragen auf.
Die vom Kläger vorzuschiessenden Gerichtsgebühren variieren von Kanton zu Kanton, sind aber in der Schweiz generell streitwertabhängig. Die Durchsetzung einer hohen Forderung erfordert deshalb bereits eine hohe Anfangsinvestition. Hinzu kommen die Anwaltskosten. Im Falle des Obsiegens hat der Kläger Anspruch auf Rückerstattung des Gerichtskostenvorschusses und – ganz oder teilweise – seiner Anwaltskosten. Aber natürlich gilt das auch umgekehrt: Im Falle des Unterliegens trägt der Kläger nicht nur die Gerichtskosten und seine eigenen Anwaltskosten, sondern auch die Anwaltskosten der Gegenpartei. Die gleichen Prinzipien gelten grundsätzlich auch in Schiedsverfahren, während in Mediationsverfahren die Kosten meistens zwischen den Parteien aufgeteilt werden. Das heisst allzu oft, dass auch Kläger mit guten Erfolgsaussichten aufgrund des finanziellen Restrisikos von einem Prozess absehen.
Mittellosen Privatpersonen steht vor staatlichen Gerichten zwar die unentgeltliche Rechtspflege offen. Diese bleibt aber allen anderen Privatpersonen sowie Unternehmen in den meisten Fällen verwehrt. Wie können sich solche Klienten finanziell absichern?
Prüfen Sie Ihre Rechtsschutzversicherung
Falls Sie eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, kann diese Abhilfe schaffen. Zu prüfen ist aber immer zuerst, ob die Streitigkeit von der Versicherung erfasst ist und welche Kosten gedeckt sind. Und natürlich muss die Police vor Streitausbruch bestehen.
Drittmittel können eine Lösung sein
Eine weitere Option ist die Prozessfinanzierung durch Dritte. Die Prozessfinanzierung ist in unseren Nachbarländern, z.B. in Deutschland und Österreich, seit längerem anerkannt und gebräuchlich. In der Schweiz hat das Bundesgericht erst im Jahre 2005 entschieden, dass die Prozessfinanzierung durch Dritte zulässig ist. In einem späteren Entscheid hat das Bundesgericht zusätzlich festgehalten, dass es unter Umständen zu den Pflichten eines Anwalts gehören kann, Klienten auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Ein Prozessfinanzierungsvertrag kann auch während eines laufenden Prozesses abgeschlossen werden.
In der Schweiz sind v.a. zwei Anbieter tätig, und in den letzten Jahren wurden jährlich ca. 30-40 Zivilverfahren finanziert. Der Finanzierer trägt das Prozessrisiko – im Falle des Unterliegens zahlt er die Anwaltshonorare, Gerichtsgebühren, Prozessentschädigungen an die Gegenpartei sowie allfällige Vollstreckungskosten. Im Falle des Obsiegens erhält der Finanzierer eine im Voraus im Prozessfinanzierungsvertrag festgelegte, prozentuale Beteiligung am Prozessergebnis, welche i.d.R. bei rund 30-35% liegt.
Bedingungen für Drittmittel
Die Voraussetzungen der in der Schweiz tätigen Unternehmen für die Zusage zu einer Prozessfinanzierung sind ähnlich. Grundsätzlich kann jede zivilrechtliche Streitigkeit, welche eine Geldleistung zum Gegenstand hat, finanziert werden. Es muss aber ein gewisser Mindeststreitwert erreicht werden, welcher je nach Anbieter zwischen CHF 50‘000.– und CHF 300‘000.– liegt. Zweitens müssen begründete Erfolgsaussichten bestehen. Schliesslich muss die Gegenpartei solvent sein, damit die Vollstreckung des Urteils überhaupt möglich ist. Es besteht freie Anwaltswahl.
Wann ist eine Drittmittelfinanzierung sinnvoll?
Die Prozessfinanzierung stellt den Klienten einen starken Finanzpartner zur Seite und trägt zur Waffengleichheit bei finanziell übermächtigen Gegnern bei. Sie kann sowohl für Unternehmen und insbesondere KMUs sinnvoll sein, die nicht über genügend Liquidität verfügen, als auch für Unternehmen, die genügend liquid sind, ihre verfügbaren Mittel aber lieber für den Gesellschaftszweck verwenden als in einem lang andauernden Verfahren binden wollen. Für Privatpersonen sind die Art des Verfahrens und das Verlustrisiko das massgebende Kriterium – also ob der Klient es sich leisten kann, einen langen, komplexen Prozess zu führen und möglicherweise zu verlieren.
Für gewisse Klienten kann eine Prozessfinanzierung also Recht haben und Recht bekommen in Einklang bringen. Einen Blick darauf zu werfen kann sich lohnen.