Schweizerisches Bundesgericht blockiert Informationsaustausch auf der Grundlage von Daten, die von Hervé Falciani von der HSBC Genf gestohlen wurden

Schweizerisches Bundesgericht blockiert Informationsaustausch auf der Grundlage von Daten, die von Hervé Falciani von der HSBC Genf gestohlen wurden

In einem neuen bemerkenswerten Entscheid vom 17. März 2017 hat das Bundesgericht nun festgehalten, dass sich der Fall von Falciani’s Datendiebstahl bei der HSBC in Genf wesentlich vom Datendiebstahl bei der UBS-Tochtergesellschaft in Frankreich unterscheidet. Während das Bundesgericht im UBS-Fall einen Informationsaustausch zuliess, hat das Bundesgericht nun entschieden, dass im Fall von Falciani’s Datendiebstahl bei der HSBC in Genf die ESTV keine Amtshilfe leisten darf.

Die Argumentation des Obersten Gerichtshofs

Das Bundesgericht beginnt seine Begründung mit der Feststellung, dass sich das Amtshilfeersuchen der französischen Steuerbehörden auf Art. 28 des geltenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich („DBA CH-F“) abstützt, wobei jedoch dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu entnehmen ist, ob Amtshilfe auch dann zu leisten ist, wenn sich das Ersuchen des gesuchstellenden Staates auf gestohlene Bankdaten abstützt.

Wie in seinem ersten Entscheid analysierte das Bundesgericht anschliessend, ob das Vorgehen der französischen Steuerbehörden das im Steueramtshilfegesetz (StAhiG) festgehaltene Prinzip von Treu und Glauben verletzt haben könnte. Die entsprechende Bestimmung im StAhiG lautet wie folgt (Art. 7 StAhiG):

„Auf das Ersuchen wird nicht eingetreten, wenn: [...] c. es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, insbesondere wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind.“

Für das Bundesgericht stellte sich somit die Frage, inwieweit sich die Regelung in Art. 7 StAhiG mit Art. 28 DBA CH-F vereinbaren lässt. Zu diesem Zweck zog das Bundesgericht das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge („Wiener Übereinkommen“) herbei. Dieses Übereinkommen definiert das Prinzip von Treu und Glauben wie folgt: „Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“

Das Bundesgericht kam in seiner Analyse zum Schluss, dass das Prinzip von Treu und Glauben wie es im StAhiG festgehalten ist, in keiner Weise dem Prinzip von Treu und Glauben widerspricht, wie es im Wiener Übereinkommen definiert ist. Im Gegenteil, die beiden Prinzipien stimmen im Grundsatz überein – die im StAhiG festgehaltene Regelung führt vielmehr das im Wiener Übereinkommen festgehaltene Prinzip von Treu und Glauben weiter aus. Gemäss Bundesgericht hat die Bestimmung im StAhiG mithin keinen anderen Zweck als andere Staaten davon abzuhalten, Amtshilfeersuche entgegen das Prinzip von Treu und Glauben zu stellen. Entsprechend sei die Regelung im StAhiG lediglich eine präzisere und weitergehende Ausführung des Grundsatzes von Treu und Glauben wie er im Wiener Übereinkommen in allgemeiner Form zu finden ist.

Des Weiteren wies das Bundesgericht daraufhin, dass nach dem Datendiebstahl bei der HSBC in Genf, die Verhandlungen zwischen Frankreich und der Schweiz solange nicht weitergeführt wurden, bis Frankreich der Schweiz schriftlich bestätigte, dass die gestohlenen HSBC-Daten nicht im Zusammenhang mit allfälligen Amtshilfeersuchen an die Schweiz verwendet würden. Das Gericht kam zum Schluss, dass sich die Schweiz in gutem Glauben auf dieses Versprechen von Frankreich verlassen konnte.

Schliesslich führte das Bundesgericht aus, dass, anders als beim UBS-Fall, als Daten von einer UBS-Tochtergesellschaft im Ausland gestohlen wurden, beim HSBC-Fall Daten von einer in der Schweiz ansässigen Bank gestohlen wurden. Im HSBC-Fall basiert das Informationsaustauschgesuch der französischen Behörden also auf Tathandlungen, die in Verletzung des Schweizer Rechts beschafft wurden und welche somit unter das Schweizer Strafrecht und in die Zuständigkeit der Schweizer Strafverfolgungsbehörden fallen. Tatsächlich verurteilte nämlich das Schweizer Bundesstrafgericht Hervé Falciani wegen Wirtschaftsspionage (Art. 273 Abs. 2 Schweizer Strafgesetzbuch) zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Wie wir in unserem Newsletter vom Februar ausgeführt haben (siehe Tax Newsletter vom März 2017), folgt der zweite Bundesgerichtsentscheid somit der gleichen Logik wie der erste Entscheid wonach die ESTV keine Amtshilfe leisten darf, wenn das Gesuch der ausländischen Behörden auf Informationen beruht, die durch Handlungen beschafft wurden, die in der Schweiz strafbar waren und für die Schweizer Strafverfolgungsbehörden zuständig sind.

Auswirkung der Entscheidung

Der neuste Bundesgerichtsentscheid befasst sich mit einigen wichtigen Fragen, welche sich im Zusammenhang mit den von Hervé Falciani gestohlenen Bankkundendaten stellen. Da nicht nur Frankreich sondern auch andere Länder Kopien der der von Falciani gestohlenen Bankkundendaten erhalten haben, bleibt es aber spannend abzuwarten, ob dieser Entscheid auch auf Amtshilfeersuchen anderer Länder angewendet werden wird – insbesondere dann, wenn die ausländischen Behörden behaupten, über von der Falciani Liste unabhängige Informationen zu verfügen.

Dieser neuste Bundesgerichtsentscheid ist für viele betroffene Bankkunden der HSBC in Genf ein guter Entscheid. Allerdings ist dieser Entscheid sicher noch nicht das Ende der Geschichte der Amtshilfe bei gestohlenen Bankkundendaten.