Die Erbschaftssteuerinitiative: Zentrale Überlegungen im Hinblick auf das Referendum vom 30. November 2025

Die Erbschaftssteuerinitiative:
Zentrale Überlegungen im Hinblick auf das Referendum vom 30. November 2025

Einleitung

Am 30. November 2025 stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Einführung einer Bundessteuer auf Schenkungen und Erbschaften über CHF 50 Millionen ab. Vorgesehen ist ein Einheitssatz von 50 %. Dies würde einen grundlegenden Wandel für ein Land bedeuten, in dem die Steuerhoheit im Bereich der Erbschafts- und Schenkungssteuer traditionell ausschliesslich bei den Kantonen liegt. Der Vorschlag wirft verschiedene rechtliche Bedenken auf.

Ursprung der Initiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)»

Am 8. Februar 2024 wurde die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» offiziell eingereicht.

Sie sieht die Einführung einer Bundessteuer auf Erbschaften und Schenkungen vor, die nur auf Vermögensteile über CHF 50 Millionen anwendbar wäre. Der Steuersatz soll pauschal 50 % betragen. Die Erhebung würde durch die Kantone erfolgen, die ein Drittel des Steuerertrags behalten dürften, während zwei Drittel an den Bund gehen würden. Die Mittel wären ausschliesslich für sozial ausgewogene Massnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zweckgebunden. Die Kantone würden ihre Kompetenz zur Erhebung kantonaler Erbschaftssteuern behalten.

Bereits 2015 wurde eine ähnliche Volksinitiative («Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)») abgelehnt. Diese sah eine Steuer von 20 % auf Schenkungen und Erbschaften von in der Schweiz wohnhaften Personen vor, soweit die übertragenen Vermögenswerte CHF 2 Millionen überstiegen.

Haltung der Schweizer Regierung

In ihrer Botschaft vom 13. Dezember 2024 unterstützte der Bundesrat die klimapolitischen Ziele der Initiative, kritisierte jedoch den vorgeschlagenen Finanzierungsmechanismus. Dieser sei mit der aktuellen Schweizer Klimapolitik, die auf dem Verursacherprinzip beruhe, nicht vereinbar. Die Schweiz hat sich bereits verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden – durch gezielte Gesetzgebung und koordinierte Massnahmen von Bund und Kantonen.

Nach Einschätzung des Bundesrates würde die neue Steuer deutlich geringere Einnahmen bringen als erhofft, da sie viele vermögende Steuerpflichtige vermutlich dazu veranlassen würde, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Einer Studie zufolge könnten bis zu 98 % der steuerbaren Vermögenswerte der Besteuerung entzogen werden, was die öffentlichen Finanzen sowie die Attraktivität des Landes stark beeinträchtigen würde. Schon heute leisten diese Personengruppen einen substanziellen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte – unter anderem über die progressive Einkommens- und Vermögensbesteuerung, die auch die Klimapolitik mitträgt.

Zudem würde die Initiative die steuerliche Autonomie der Kantone schwächen, indem sie eine Bundessteuer einführt, welche die Kompetenzen der Kantone einschränkt und die Einnahmen ausschliesslich zweckgebunden für die Klimapolitik verwendet. Besonders problematisch sei die rückwirkende Anwendung, die Rechtsunsicherheit schaffe und die Anreize zur Wohnsitzverlagerung ins Ausland weiter verstärke.

Vor diesem Hintergrund empfahl der Bundesrat die Ablehnung der Initiative.

Beide Parlamentskammern – der Nationalrat und der Ständerat – wiesen die Initiative zurück. Diese wird nun am 30. November 2025 der Volksabstimmung unterbreitet.

Risiken und kritische Aspekte der Initiative

Aus rechtlicher Sicht zählen zu den Hauptbedenken insbesondere das Fehlen eines klaren Koordinationsmechanismus zwischen der vorgeschlagenen Bundessteuer und den bestehenden kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern. In der Schweiz liegt die Steuerhoheit in diesem Bereich traditionell ausschliesslich bei den Kantonen. Die Initiative verlangt daher eine entsprechende Ergänzung der Bundesverfassung.

Die Einführung einer Bundessteuer birgt das Risiko einer vertikalen Doppelbesteuerung, bei der dasselbe Vermögen sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene besteuert wird. Dies würde erhebliche Rechtsunsicherheit schaffen und die Wahrscheinlichkeit von Rechtsstreitigkeiten erhöhen.

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft den extraterritorialen Anwendungsbereich der Steuer. Der Initiativtext lässt offen, wie beispielsweise im Ausland gelegenes Vermögen eines in der Schweiz ansässigen Erblassers oder Vermögen in Trusts und Stiftungen mit Begünstigten in der Schweiz behandelt werden soll. Ebenso fehlen spezifische Bestimmungen zur Abstimmung mit bestehenden internationalen Abkommen zur Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung. Dies könnte zu Konflikten zwischen Rechtsordnungen führen und für Steuerpflichtige wie auch für Berater erhebliche Unsicherheiten schaffen.

Darüber hinaus ist seit Lancierung der Initiative ein Kapitalabfluss zu beobachten. Personen mit sehr grossem Vermögen könnten sich entscheiden, ihren Wohnsitz in steuerlich günstigere Jurisdiktionen (wie etwa Italien) zu verlegen. Die Einführung der Steuer könnte somit mehr Einnahmeverluste verursachen, als sie zusätzliche Erträge generiert.

Schliesslich ist auch die sofortige Anwendbarkeit der Steuer ab dem Tag der Abstimmung – noch vor Erlass einer Ausführungsgesetzgebung – problematisch. Erbschaften, die ab dem Abstimmungstag anfallen, und Schenkungen, die ab diesem Datum erfolgen, würden automatisch der neuen Steuer unterliegen. Dieses Vorgehen untergräbt die Grundprinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die zu den Eckpfeilern des schweizerischen Rechtssystems gehören.

Fazit

Die eidgenössische Volksinitiative ist weit mehr als ein einfacher Finanzierungsvorschlag: Sie stellt einen Lackmustest für das Schweizer Modell dar, indem sie das empfindliche Gleichgewicht zwischen Steuerföderalismus und den Zielen der ökologischen Transformation infrage stellt. Es geht dabei nicht nur um die Einführung einer neuen Abgabe, sondern auch um die internationale Positionierung der Schweiz als attraktiver Standort für die Vermögensverwaltung.

Angesichts der klaren Ablehnung durch Bundesrat und Parlament sowie aktueller Umfragen, die eine deutliche Ablehnung in der Bevölkerung erwarten lassen, gehen die meisten Fachleute davon aus, dass die Initiative an der Urne scheitern wird.

Gleichzeitig bietet der Zeitraum bis zur Abstimmung am 30. November 2025 eine einmalige – und wahrscheinlich nicht wiederkehrende – Gelegenheit, die Vermögens- und Nachlassstrukturen in der Familie sorgfältig zu überprüfen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um proaktiv und mit Weitblick zu analysieren, welche Vermögenswerte unter die vorgeschlagene Steuer fallen könnten, welche rechtlichen Instrumente genutzt werden können und wie die Kontinuität in der Vermögensverwaltung über Generationen hinweg gesichert werden kann – unabhängig vom Ausgang der Abstimmung.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne dabei: mit einer auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Beratung in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch, die rechtliche, steuerliche und strategische Expertise vereint. Wir helfen Ihnen, die potenziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Bundessteuer zu bewerten und geeignete Alternativszenarien zu entwickeln.

Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung in Steuerangelegenheiten benötigen, zögern Sie nicht, unsere Spezialisten in Genf, Lugano oder Zürich zu kontaktieren. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.