Schweiz und Italien unterzeichnen neues Abkommen zur Besteuerung von Grenzgängern

Schweiz und Italien unterzeichnen neues Abkommen zur Besteuerung von Grenzgängern

1. Einführung

Am 23. Dezember 2020 haben die Schweiz und Italien in Rom über das neue Abkommen zur Besteuerung von Grenzgängern («Abkommen 2020») und das Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens vom 9. März 1976 («DBA») geeinigt. Beide Staaten konnten sich nun auf einen gemeinsamen Text einigen. Die Unterzeichnung erfolgte nach jahrelangen, langwierigen Verhandlungen. Mit dem bilateral vereinbarten Informationsaustausch zwischen der Eidgenossenschaft und Italien, wurde mit der sogenannten «Roadmap zu Steuerfragen» vom 23. Februar 2015 vorgesehen, dass das Grenzgänger Abkommen vom 3. Oktober 1974, welches Bestandteil des DBA ist, auf Mitte 2015 zu erneuern ist.
Das Abkommen 2020 ist das Resultat fünfjähriger Verhandlungen und Konsultationen zwischen verschiedenen Interessensgruppen, wie den Regierungen der betroffenen Kantone Tessin, Graubünden und Wallis, den Gewerkschaften und dem Verband der italienischen Grenzgemeinden. Das Inkrafttreten des neuen Abkommens erfordert die Ratifizierung durch die Parlamente beider Länder.
Die wichtigsten Aspekte der neuen Vereinbarung sind im Folgenden dargestellt.

2. Definition von Grenzgängern

Das Abkommen 2020 enthält eine Definition des Begriffs «Grenzgänger» und beendet damit den Interpretationsspielraum und die unterschiedliche Auslegung der Verwaltungsbehörden beider Staaten. Sie bezieht sich auf eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat, die als Grenzgänger im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates arbeitet.

Im Falle der Schweiz umfasst dieses Grenzgebiet die Kantone Graubünden, Tessin und Wallis, im Falle Italiens die Regionen Lombardei, Piemont, Aostatal und die autonome Provinz Bozen.

Der Begriff "Grenzgänger" bezieht sich auf einen Einwohner eines Vertragsstaates, der unselbständig ist und der:

  1. für Steuerzwecke in einer Gemeinde ansässig ist, deren Gebiet ganz oder teilweise innerhalb einer Entfernung von 20 km von der Grenze zum anderen Vertragsstaat liegt,
  2. im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates für einen dort ansässigen Arbeitgeber, eine Betriebsstätte oder einen festen Standort eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt und
  3. grundsätzlich täglich zu seinem Hauptwohnsitz im Wohnsitzstaat zurückkehrt.

Im Vergleich zum bisherigen Abkommen von 1974 kann neu auch eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Schweiz, die in einem italienischen Grenzgebiet für einen italienischen Arbeitgeber arbeitet, vom Abkommen 2020 profitieren.

3. Besteuerungssystem

Löhne, Gehälter und andere ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger im Sinne der obigen Definition erhält, in dem Vertragsstaat zu maximal 80% versteuern, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, d. h. im Quellenstaat.

Da der Wohnsitzstaat des Grenzgängers Einkünfte gemäss Artikel 15 DBA in jedem Fall nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften besteuern kann, muss er die Doppelbesteuerung im Sinne von Artikel 24 DBA beseitigen. Für Italien gelten die in Artikel 165 TUIR enthaltenen Bestimmungen zur Steuergutschrift. Für die Schweiz sieht Art. 5 Abs. 2 des Abkommens 2020 vor, dass der Bund den Bruttobetrag der Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen um vier Fünftel reduziert.

Die Gesamtsteuerbelastung von in Italien ansässigen Grenzgängern darf jedoch nicht niedriger sein, als die Steuer, die nach dem Abkommen von 1974 über Grenzgänger erhoben würde.

Die Besteuerung der Grenzgänger erfolgt im Vertragsstaat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, ausschliesslich über die Quellenbesteuerung.

Angesichts der Bestimmungen des Abkommens 2020 und der Klarstellungen im Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 45 vom 12. Juni 2019 ist die Quellesteuer durch den Quellenstaat auf die Tage beschränkt, an denen die Erwerbstätigkeit tatsächlich in seinem Gebiet ausgeübt wird. Wenn der Arbeitnehmer zwar bei einem Arbeitgeber im anderen Vertragsstaat beschäftigt ist, aber für diesen in seinem Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat eine Tätigkeit ausübt, kann der Quellenstaat den Teil des Arbeitslohns, der sich auf die ausserhalb seines Hoheitsgebiets ausgeübte Tätigkeit bezieht, nicht besteuern. Die Besteuerung obliegt jederzeit dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat gemäss einem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen.

4. Übergangsregelung

Das Abkommen 2020 sieht vor, dass Personen, die im Zeitraum zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem Datum des Inkrafttretens des Abkommens 2020 in den Kantonen Graubünden, Tessin oder Wallis arbeiten oder gearbeitet haben, unter die Übergangsregelung für derzeitige Grenzgänger fallen. Diese sind weiterhin ausschliesslich in der Schweiz quellensteuerpflichtig. Bis Ende 2033 zahlt die Schweiz einen finanziellen Ausgleich an die italienischen Grenzgemeinden in Höhe von 40 % der von der Schweiz erhobenen Quellensteuer. Nach diesem Datum behält die Schweiz das gesamte Steueraufkommen ein.

5. Inkrafttreten

Nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden des Abkommens 2020 und des Änderungsprotokolles treten die Bestimmungen am ersten Januar des nachfolgenden Jahres in Kraft und ersetzen damit das Abkommen von 1974.

6. Sonstige Bestimmungen

Das Abkommen 2020 enthält Bestimmungen über das Verfahren zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens, entweder durch direkte Kommunikation oder durch einen gemeinsamen Ausschuss, der aus den Parteien selbst oder ihren Vertretern besteht. Sie sieht die Verpflichtung vor, jährlich in elektronischer Form Informationen über den Grenzgänger auszutauschen, welche für seine korrekte Besteuerung im Wohnsitzstaat erforderlich sind. Schliesslich sieht es vor, dass die Vertragsstaaten das Abkommen alle fünf Jahre auf notwendige Änderungen überprüfen.