Kann eine zu 24% p.a. verzinste Forderung gestützt auf ein chinesisches CIETAC Schiedsurteil in der Schweiz vollstreckt werden?

Kann eine zu 24% p.a. verzinste Forderung gestützt auf ein chinesisches CIETAC Schiedsurteil in der Schweiz vollstreckt werden?

Im Urteil 4A_57/2024 vom 3. September 2024 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob die Vollstreckung eines chinesischen Schiedsspruchs über eine zu 24 % p.a. verzinste Forderung gegen den Ordre public verstösst.

Dem genannten Entscheid lag ein Gesuch um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung zugrunde. Als Rechtsöffnungstitel diente ein Schiedsspruch der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC). Der in der Schweiz wohnhafte Schuldner hatte sich in China für ein kurzfristiges Darlehen verbürgt, das eine chinesische Gläubigerin einer ebenfalls chinesischen Gesellschaft gewährt hatte. Die Parteien des Darlehensvertrages hatten einen Zinssatz von anfänglich 8 % vereinbart, der sich auf 15 % p.a. erhöhen sollte, falls später eine mit dem Darlehen im Zusammenhang stehende Inland- oder Auslandfinanzierung scheitern würde. Zudem vereinbarten die Parteien einen zusätzlichen Zins von 0.05 % pro Tag auf dem nicht rechtzeitig zurückbezahlten Betrag. Nachdem das Darlehen nicht zurückbezahlt worden war, wurde der Schuldner vom zuständigen Schiedsgericht in China solidarisch mit der Darlehensnehmerin dazu verpflichtet, der Gläubigerin den Darlehensbetrag zuzüglich Zinsen von 24 % zurückzubezahlen.

Die Gläubigerin setzte daraufhin den ihr vom chinesischen Schiedsgericht zugesprochenen Betrag zuzüglich Zins von 24 % p.a. in Betreibung und verlangte im Rechtsöffnungsverfahren gestützt auf das Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen, NYÜ; SR 0.277.12) die inzidente Anerkennung des chinesischen Schiedsspruchs. Dagegen wehrte sich der Schuldner erfolglos bis vor Bundesgericht.

Der Schuldner machte im Wesentlichen geltend, dass der Jahreszinssatz von 24% "krass überrissen" sei und daher gegen den Ordre public verstosse.

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass ein hoher Zinssatz für sich allein nicht ausreicht, um einem ausländischen Schiedsurteil die Vollstreckung zu versagen:

"Ein Jahreszins von 24 % mag in einem binnenschweizerischen Verständnis als unzulässig hoch erscheinen. Indessen verstösst ein solcher Zinssatz alleine deswegen nicht notwendigerweise gegen fundamentale Grundsätze der Schweizer Werte- und Rechtsordnung. Der vollstreckungsrechtliche Ordre public greift mithin nicht bereits dann, wenn der Zinssatz nach binnenschweizerischer Auffassung überhöht wäre. Wie oben ausgeführt, hat das Bundesgericht einen Monatszinssatz von 2 % als zulässig erachtet. Im Lichte dieser Rechtsprechung besteht kein Anlass, bei einem Jahreszinssatz von 24 % einzuschreiten, zumal sich der Beschwerdeführer nicht zur besonderen Rechtsnatur seines Darlehensverhältnisses äussert. Insbesondere macht er nicht geltend, er habe sich für ein besonders risikoarmes Darlehen verbürgt, was zwingend einen tiefen Zinssatz gebiete." (BGer 4A_57/2024 vom 3. September 2024, E. 4.3.3)

Das Bundesgericht hielt fest, dass der vollstreckungsrechtliche Ordre public weniger weit reiche, als der kollisionsrechtliche Ordre public nach Art. 17 IPRG und dass nicht jede zwingende Bestimmung des Schweizer Rechts zum Ordre public gehöre, sondern nur solche, die von tragender Bedeutung seien.

Das Bundesgericht erinnerte auch daran, dass das Obligationenrecht keine ausdrücklichen Höchstzinssätze enthält, sondern es dem öffentlichen Recht des Bundes und der Kantone überlasse, Bestimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen. Vorliegend waren keine solchen Bestimmungen anwendbar. Zur Vereinbarkeit des Zinssatzes mit den "guten Sitten" (Art. 20 Abs. 1 OR) verwies das Bundesgericht sodann auf seine frühere Rechtsprechung, wonach nicht jeder Jahreszinssatz von mehr als 18 % sittenwidrig sei. Das Gericht könne im Einzelfall von diesem Richtwert abweichen, wobei insbesondere dem Verlustrisiko des Kreditgebers Rechnung zu tragen sei. Das Bundesgericht wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass es den kantonalen Gerichten bei der Beurteilung des Höchstzinssatzes einen gewissen Ermessensspielraum einräume.

Neben der Zinshöhe berief sich der Schuldner auf die Formvorschriften des schweizerischen Bürgschaftsrechts und machte geltend, dass die Nichteinhaltung dieser Formvorschriften sowie das angeblich fehlende Einverständnis seiner Ehefrau ebenfalls gegen den Ordre public verstossen würden. Das Bundesgericht verwarf auch diese Rügen und bestätigte seine Rechtsprechung, wonach die bürgschaftsrechtlichen Formvorschriften zwar zwingend seien, aber nicht zum Ordre public gehörten. Von diesem Grundsatz könne nur dann abgewichen werden, wenn der Bürge die finanzielle Tragweite seiner Verpflichtung gar nicht abschätzen konnte. Auch ein allfälliges fehlendes Zustimmungserfordernis des Ehegatten gehöre nicht zum vollstreckungsrechtlichen materiellen Ordre public der Schweiz (BGer 4A_57/2024 vom 3. September 2024, E. 5.3).

Es freut uns, dass Altenburger Ltd. legal + tax einen Beitrag zu diesem Entscheid leisten und die Gläubigerin in diesem Prozess begleiten konnte.

(BGer 4A_57/2024 vom 3. September 2024)