Bezugsteuer ("Reverse Charge" - Verfahren) in der Tätigkeit der Holdinggesellschaften: Typische Fallstricke und Lösungsansätze

Bezugsteuer ("Reverse Charge" - Verfahren) in der Tätigkeit der Holdinggesellschaften: Typische
Fallstricke und Lösungsansätze

In der Praxis wird dabei oft nur die obligatorische Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze von CHF 100'000 aus steuerbaren Leistungen geprüft. Dabei ist es jedoch unerlässlich, nicht nur die Umsätze aus erbrachten Leistungen, sondern auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit den aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen zu analysieren. Bezieht eine Holdinggesellschaft Dienstleistungen von ausländischen Tochtergesellschaften oder Dritten oder werden Lizenzen bzw. Patente in eine Schweizer Holdinggesellschaft eingebracht, kann der Verzicht auf eine MWST-Registrierung zu einer endgültigen Mehrwertsteuerbelastung führen.

Diese steuerliche Belastung kann im Einzelfall verheerende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Gesundheit der Holdinggesellschaft haben.

Im Folgenden werden anhand der Rechtsprechung ausgewählte Aspekte der Bezugsteuer im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Holdinggesellschaften analysiert. Dabei wird aufgezeigt, wie häufige Fehler vermieden und steuerliche Risiken minimiert werden können.

I. Bezugsteuer im Zusammenhang mit Beteiligungskäufen und -verkäufen

1. Bezug der Beratungsleistungen aus dem Ausland

Das Bundesgericht hat in seinem jüngsten Entscheid (Urteil des BGer 9C_154/2023 vom 3. Januar 2024) dass die vor der Eintragung einer Holdinggesellschaft ins MWST-Register aus dem Ausland bezogene Beratungsleitungen im Zusammenhang mit einem Beteiligungsverkauf nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Sachverhalt

Eine Holdinggesellschaft hat sich ca. 3 Jahre nach ihrer Eintragung ins Handelsregister als Mehrwertsteuerpflichtige angemeldet. Um ihre Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft zu verkaufen, hat sie verschiedene ausländische Berater mandatiert, mit welchen sie Verträge mit dem Datum vor ihrer Eintragung ins MWST-Register abgeschlossen hat. Der Verkauf der Beteiligung erfolgte kurz nach der Anmeldung der Gesellschaft im MWST-Register. Nach Abschluss des Projekts stellten die ausländischen Berater ihre Rechnungen für Beratungsleistungen. Basierend darauf deklarierte die Holdinggesellschaft die Bezugsteuer und machte sie in der gleichen Deklaration als Vorsteuer geltend.

Die ESTV korrigierte einen Teil der Vorsteuer mit der Begründung, dass die vor der Eintragung der Holdinggesellschaft ins MWST-Register bezogenen Beratungsleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Sie verteilte diese Dienstleistungen gleichmässig nach Massgabe der Zeitdauer (pro rata temporis) für die Periode ab Vertragsabschluss bis zum Verkauf der Beteiligung. Die ESTV liess nur die Bezugsteuer zum Vorsteuerabzug zu, die proportional auf die Steuerperiode nach der Anmeldung der Holdinggesellschaft im MWST-Register angefallen ist.

Die Steuerpflichtige argumentierte, dass der überwiegende Teil der Leistungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags und somit nach der Eintragung der Holdinggesellschaft im MWST-Register erbracht wurde. Das Bundesgericht schützte jedoch die Auffassung der ESTV und lehnte den Antrag der Gesellschaft auf die Einlageentsteuerung ab. Es gelte eine widerlegbare Vermutung, dass die Beratungsleistungen im Zeitpunkt ihres Bezugs verbraucht seien. Die von der ESTV vorgenommene gleichmässige Verteilung der Aufwendungen nach Massgabe der Zeitdauer (pro rata temporis) wurde nicht beanstandet. Der Gesellschaft ist der Nachweis des Gegenteils nicht gelungen.

Die bundesgerichtliche Praxis zeigt, dass eine rechtzeitige MWST-Anmeldung für den Vorsteuerabzug entscheidend ist. Holdinggesellschaften, die beabsichtigen, Beratungs- oder andere Dienstleistungen, für die das Empfängerortsprinzip gilt, aus dem Ausland zu beziehen, sollten sicherstellen, dass sie sich vor dem Bezug der Dienstleistungen für MWST-Zwecke registrieren lassen.

2. Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung

Die Erhebung der Bezugsteuer hängt davon ab, ob sich der Ort der Dienstleistung in der Schweiz befindet. In den meisten Fällen, mit Ausnahme der in Art. 8 Abs. 2 MWSTG aufgeführten Dienstleistungen, gilt das Empfängerortprinzip. Es kann jedoch vorkommen, dass sich der Ort der bezogenen Dienstleistung im Ausland befindet. Die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts zeigt ( Urteil des BVGer A-3285/2017 vom 21. Juni 2018), worauf Holdinggesellschaften achten müssen, wenn sie sich auf den Ort der Dienstleistung im Ausland gemäss Art. 8 Abs. 2 MWSTG berufen.

Sachverhalt

Eine mehrwertsteuerpflichtige Schweizer Holdinggesellschaft beabsichtigte eine 60 %-Beteiligung an einem Target zu erwerben. Da das Target einen Anspruch auf die Ausbeutungsrechte hatte, liess die Holdinggesellschaft umfangreiche Bohr- und Testarbeiten auf dem Projektgebiet durchführen, um abzuklären, ob sie diese Beteiligung tatsächlich erwerben möchte. Für die Ausführung der Arbeiten engagierte die Holdinggesellschaft auf Basis von verschiedenen Dienstleistungsverträgen andere Gruppengesellschaften.

Die ESTV vertrat die Auffassung, dass alle Leistungen im Zusammenhang mit dem Kauf des Targets, insbesondere auch die Bohr- und Testarbeiten auf dem Bauprojekt im Ausland, als Gesamtleistung i.S.v. Art. 19 Abs. 3 MWSTG zu qualifizieren seien. Der Ort dieser Gesamtleistung befinde sich gemäss Art. 8 Abs. 1 MWSTG in der Schweiz und sie unterliege der Bezugssteuer. Die Holdinggesellschaft entgegnete, dass nur die Rechts- und Steuerberatungskosten der Bezugssteuer unterliegen. Für die übrigen bezogenen Leistungen liege der Ort gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. f MWSTG im Ausland (am Ort des Grundstücks).

Das Bundesverwaltungsgericht erwog, dass die bezogenen Leistungen nicht als eine Gesamtleistung gelten. Jede Leistung sei separat zu qualifizieren. Sofern jedoch nicht das Empfängerortprinzip greife, sondern die Spezialtatbestände gemäss Art. 8 Abs. 2 MWSTG, müsse die Steuerpflichtige die Sachverhaltselemente beweisen. Andernfalls trage sie die Folgen der Beweislosigkeit.

Holdinggesellschaften, die den Leistungsort gemäss Art. 8 Abs. 2 MWSTG geltend machen, müssen somit sicherstellen, dass sie über hinreichende Unterlagen verfügen, um den Leistungsort im Ausland zweifellos nachzuweisen. Zu beachten ist auch, dass an diesen Nachweis hohe Anforderungen gestellt werden.

II. Bezugsteuer im Zusammenhang mit der Übertragung der Immaterialgüterwerte auf eine Schweizer Gesellschaft

Die Praxis zeigt, dass immaterielle Werte innerhalb eines Konzerns oft an eine Schweizer Holdinggesellschaft übertragen werden. Dabei wird nicht erkannt, dass eine solche Übertragung der Bezugsteuer unterliegt. Während die Bezugsteuerproblematik beim Verkauf eines Patents oder einer Lizenz von einer ausländischen Gesellschaft an eine Schweizer Holdinggesellschaft erkannt wird, bleibt sie bei Sacheinlagen von Patenten oder Lizenzen durch ausländische Gruppengesellschaften in das Eigenkapital einer Schweizer Holdinggesellschaft oft unbeachtet.

Gemäss der publizierten Praxis der ESTVgilt eine Sacheinlage aus Sicht eines Einlegers als entgeltliche und steuerbare Leistung, sofern die Übertragung nicht von der Steuer ausgenommen ist. Da mangels MWST-Registrierung der ausländischen Gruppengesellschaften in der Schweiz kein Meldeverfahren zur Anwendung kommt, unterliegt die Sacheinlage von Patenten oder Lizenzen der Bezugsteuer. Dabei ist der Wert der Sacheinlage massgebend, der unter unabhängigen Dritten vereinbart würde (Art. 3 lit. h i.V.m. Art. 24 Abs. 2 MWSTG). Dies auch dann, wenn eine Sacheinlage ohne jegliche Gegenleistung erbracht wird.

Sofern die Schweizer Holdinggesellschaft nicht im MWST-Register eingetragen ist, muss sie die Bezugsteuer abliefern, kann diese jedoch nicht als Vorsteuer geltend machen. Folglich kann eine derartige Transaktion gravierende Folgen haben, da der Wert der übertragenen Patente bzw. Lizenzen in der Praxis häufig im Millionenbereich liegt. Es ist deshalb entscheidend, dass sich eine Holdinggesellschaft für die MWST anmeldet, bevor sie eine Sacheinlage in Form von IP-Rechten von einer ausländischen Gruppengesellschaften erhält.

Fazit

Die Bezugsteuer spielt eine sehr wichtige Rolle in der Tätigkeit einer Holdinggesellschaft, insbesondere bei der Beurteilung der Frage der freiwilligen Anmeldung für die MWST. In der Praxis wird häufig angenommen, dass keine Bezugsteuer zu entrichten sei, solange keine MWST-Registrierung besteht. Dabei kann es von Vorteil sein, die MWST-Anmeldung unmittelbar nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister vorzunehmen, da die vor der Eintragung bezogenen Leistungen in der Regel nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Werden Patente oder Lizenzen von einer ausländischen Gruppengesellschaft an eine Schweizer Holdinggesellschaft übertragen, unterliegen diese Transaktionen der Bezugsteuer. Dabei ist der Verkehrswert der übertragenen Patente oder Lizenzen massgebend. Ist eine Holdinggesellschaft nicht im MWST-Register eingetragen, kann sie die Bezugsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen, was zu einer definitiven Steuerbelastung und erheblichen finanziellen Nachteilen führt.

Die Gerichtspraxis zeigt, dass detaillierte Rechnungen und Aufzeichnungen über die Leistungen als Nachweis für die Qualifikation der Leistung, den Zeitpunkt der Leistungserbringung und den Leistungsort entscheidend sind. Macht eine Holdinggesellschaft den Leistungsort gemäss Art. 8 Abs. 2 MWSTG geltend, sind ferner die erhöhten Anforderungen an die Beweispflicht zu beachten.

Eine rechtzeitige MWST-Registrierung und sorgfältige Dokumentation sind daher essenziell, um steuerliche Risiken zu minimieren und finanzielle Nachteile zu vermeiden.