Reform und Modernisierung des schweizerischen Erbrechts

Reform der Forced-Share-Regeln

Nach heutigem Recht kann der Erblasser nur beschränkt über sein Vermögen verfügen, da das Gesetz auf dem Nachlass eine zwingende Quote für die Kinder, den überlebenden Ehegatten und – unter gewissen Umständen – den Eltern, vorsieht. Über diese Quoten kann sich der Erblasser durch Verfassen eines Testaments nicht hinwegsetzen. Damit der Erblasser über einen höheren Teil des Nachlasses frei verfügen kann, schlägt der Bundesrat eine Anpassung des Pflichtteilsrechts vor, indem den Kindern inskünftig nur die Hälfte anstatt drei Viertel ihres gesetzlichen Erbteils (d.h. der Anteil am Nachlass, der für jeden Erben bestimmt ist, sofern der Erblasser nicht über sein Vermögen verfügt) und dem überlebenden Ehegatten nur ein Viertel anstatt die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils eingeräumt wird. Zudem soll der gegenwärtige Pflichtteil der Eltern (die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils) gänzlich gestrichen werden. Allerdings ist die Höhe der vorgeschlagenen Pflichtteile nach wie vor umstritten und sie wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren Gegenstand der Debatte sein.

Nicht verheirateten Partnern und Stiefkindern wird nach wie vor kein gesetzliches Erbrecht gewährt, dennoch erlaubt die obenerwähnte Verringerung der zwingenden Ansprüche dem Erblasser, diese Personen zu einem höheren Anteil am Nachlass zu begünstigen, sofern sie in einem Testament berücksichtigt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Begrenzung der Pflichtteile interessante Regelungen bei der Unternehmensnachfolge. Der Bundesrat prüft aber nach wie vor weitere Möglichkeiten zur Vereinfachung und flexibleren Ausgestaltung der Unternehmensnachfolge.

Gesetzliches Vermächtnis zu Gunsten von Mitbewohnern und/oder Kindern

Der aktuelle Vorschlag sieht gewisse zusätzliche Verbesserungen für faktische Lebenspartner (d.h. gleichgeschlechtliche oder nicht gleichgeschlechtliche Paare, die nicht verheiratet sind bzw. nich in einer eingetragenen Partnerschaft leben) vor, die dem Verstorbenen durch Pflege oder durch finanzielle Hilfe erhebliche Leistungen in seinem Interesse erbracht haben und mit ihm faktisch seit mindestens drei Jahren zusammengelebt haben. Unter solchen Umständen sollte ein unverheirateter Lebenspartner in den Genuss des gesetzlichen Erbrechts kommen, d.h. einen gewissen Teil des Nachlasses als Kompensation für seine erbrachten Leistungen erhalten. Dasselbe soll für Kinder gelten, die im selben Haushalt des Verstorbenen gelebt haben, sofern gewisse weitere Voraussetzungen erfüllt sind.

Erbschaftsjagd

Die Gefahr der Erbschleicherei solleingedämmt werden, indem die freie Quote zulasten von Personen, die aufgrund einer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen (z.B. Ärzte, Krankenpfleger oder Anwälte), auf einen Viertel des Nachlasses beschränkt wird.

Informationsrechte

Eine weitere entscheidende Neuerung des heutigen Schweizer Erbrechts besteht in den Informationsrechten der Erben gegenüber Dritten. Die vorgesehene Revision des Schweizer Erbrechts schlägt eine Erweiterung der Informationsrechte gegenüber jeder Person vor, die Vermögenswerte des Erblassers verwaltet, besessen oder erhalten hat, wie z.B. Treuhänder oder Mitglieder des Stiftungsrates. Dies kann zu weitreichenden Informationsrechten führen, da solche Informationsrechte weder durch testamentarische Anordnungen noch durch Argumente der Berufsgeheimhaltungspflichten aufgehoben werden können. Auch hier werden die Details der neuen Bestimmungen weiterhin diskutiert.

Testamentarische Formalitäten für den Ernstfall

Das neue Recht sieht eine andere Form der Erstellung eines Nottestaments bei Vorliegen ausserordentlicher Umstände vor. Bisher bestand lediglich die Möglichkeit der mündlichen Mitteilung des Willens durch den Erblasser gegenüber zwei Zeugen. Die neuen Bestimmungen sollen die Kundgabe des erblasserischen Willens mittels audiovisueller Technik (d.h. insbesondere durch Smartphones) zulassen, aber nur in Notfällen wie z.B. bei unmittelbarer Todesgefahr.

Weiterer Gesetzgebungsprozess

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, eine Botschaft auszuarbeiten, die zum Jahresende dem Parlament unterbreitet werden soll. Folglich kann damit gerechnet werden, dass die parlamentarischen Debatten zum vorliegenden Gesetzgebungsprojekt im März 2018 beginnen werden, wobei die neuen Bestimmungen nicht vor 2020 in Kraft treten dürften.