Ort der tatsächlichen Verwaltung einer Holdinggesellschaft: Aktuelle Bundesgerichtsentscheide

Ort der tatsächlichen Verwaltung einer Holdinggesellschaft: Aktuelle Bundesgerichtsentscheide

Diese Entscheide zeigen, dass die Steuerbehörden des Kantons Zürich das Steuerdomizil von Holdinggesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Kanton haben und einen engen Bezug zum Kanton Zürich aufweisen, vermehrt hinterfragen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Kantone der Praxis der Zürcher Steuerbehörden folgen werden.

Dieser Newsletter setzt sich mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichts auseinander, zeigt die praktischen Auswirkungen der Entscheide auf und analysiert die aktuellen Entwicklungen in der Verwaltungspraxis – illustriert am Beispiel des Urteils 9C_558/2024 vom 29. April 2025.

Urteil des Bundesgerichts 9C_558/2024 vom 29. April 2025

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall ging es um eine Gesellschaft mit statutarischem Sitz im Kanton Zug. Gemäss Statuten bestand der Zweck der Gesellschaft im Erwerb, Halten, Verwalten und Veräussern von Beteiligungen. Die einzigen Verwaltungsratsmitglieder und Aktionäre – ein Ehepaar mit Einzelzeichnungsberechtigung – waren im Kanton Zürich wohnhaft.

Die Gesellschaft hielt 100% der Anteile an einer Tochtergesellschaft, welche wiederum zu 100% an einer operativ tätigen Immobiliengesellschaft mit Sitz im Kanton Zürich beteiligt war. Die Beteiligung an der operativ tätigen Gesellschaft wurde später direkt auf die Holdinggesellschaft übertragen. Der Ehemann amtete zudem mit Einzelzeichnungsbefugnis als Verwaltungsrat in beiden Tochtergesellschaften.

Trotz des formellen Sitzes im Kanton Zug vertrat das Steueramt des Kantons Zürich die Auffassung, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung am Wohnsitz der Aktionäre bzw. der Verwaltungsräte im Kanton Zürich befinde. Dort seien nach seiner Einschätzung die massgeblichen Entscheidungen im Sinne des statutarischen Gesellschaftszwecks getroffen worden.

Die Hauptargumente der Zürcher Steuerverwaltung lauteten im Wesentlichen wie folgt:

  • Die einzigen Aktionäre der Holdinggesellschaft waren zugleich Verwaltungsräte sämtlicher drei Gesellschaften, wobei die operativ tätige Gesellschaft ihren Sitz im Kanton Zürich hatte;
  • In der Jahresrechnung der Holdinggesellschaft wurde kein Mietaufwand verbucht, und es lagen keine Hinweise auf Geschäftsräumlichkeiten oder betriebliche Infrastruktur im Kanton Zug vor;
  • Es bestand eine enge personelle Verflechtung, da die Verwaltungsratsfunktionen sowohl bei der Holding- als auch bei der operativ tätigen Gesellschaft von derselben Person ausgeübt wurde.

Gestützt darauf gelangte das Steueramt zum Schluss, dass die Entscheidungen im Sinne des statutarischen Holdingzwecks höchstwahrscheinlich in Zürich – am Wohnsitz der Verwaltungsräte – getroffen wurden.

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung der Zürcher Steuerbehörden. Es stellte fest, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung im Kanton Zürich befindet – am Wohnsitz der alleinigen Aktionäre und Verwaltungsräte – und dass die Beweislast diesbezüglich erfüllt sei.

Der ausserkantonale statutarische Sitz sei rein formeller Natur gewesen, weshalb die Holdinggesellschaft nach harmonisiertem kantonalem Steuerrecht im Kanton Zürich unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht stellte klar, dass bei klassischen Holdinggesellschaften die Geschäftsführung in der Regel weniger umfangreich ist als bei operativ tätigen Handels- oder Produktionsunternehmen. Die relevante Geschäftstätigkeit beschränkt sich typischerweise auf die Verwaltung von Beteiligungen, insbesondere auf Aufgaben wie Buchführung, Inkasso, Gewinnverwendung sowie gelegentliche Kauf- und Verkaufsentscheide.

Für die Bestimmung des Orts der tatsächlichen Verwaltung ist entscheidend, wo die zur Erfüllung des statutarischen Zwecks notwendigen Tätigkeiten ausgeübt werden. Bei einer Gesellschaft, deren Zweck im Wesentlichen in der Verwaltung von Vermögenswerten oder administrativen Aufgaben besteht, ist der Ort dieser Tätigkeiten ausschlaggebend. Entscheidend ist somit, ob diese Tätigkeiten am statutarischen Sitz oder an einem anderen Ort vorgenommen werden.

Das Gericht kam zum Schluss, dass genügend Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die effektive Verwaltung der Holdinggesellschaft vom Wohnsitz der beiden Verwaltungsräte in Zürich aus erfolgte. Dabei bekräftigte das Bundesgericht, dass im interkantonalen Verhältnis eine reduzierte Beweislast gilt: Die Steuerbehörde muss lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darlegen, dass die wesentlichen Unternehmensentscheide schwergewichtig an einem bestimmten Ort getroffen werden.

Der Holdinggesellschaft gelang es in der Folge nicht, ausreichende Gegenbeweise vorzubringen, die eine tatsächliche Verwaltung im Kanton Zug hätten belegen können.

Weitere Entscheide des Bundesgerichts

In den ebenfalls am 29. April 2025 ergangenen Urteilen 9C_569/2024 und 9C_570/2024, bestätigte das Bundesgericht erneut die Auffassung der Zürcher Steuerbehörden: Der Ort der tatsächlichen Verwaltung der betroffenen Holdinggesellschaften befinde sich im Kanton Zürich.

Die Urteilsbegründung orientierte sich im Wesentlichen an den Erwägungen aus dem Entscheid 9C_558/2024. Die Holdinggesellschaften- eine hatte ihren statutarischen Sitz im Kanton Zug in die andere im Kanton Obwalden - hielten Beteiligungen an operativ tätigen Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsräumlichkeiten in Zürich. Die Verwaltungsräte beider Holdings waren identisch besetzt und hatten ihren Wohnsitz sämtlich im Kanton Zürich. Die enge personelle und wirtschaftliche Verflechtung mit dem Kanton Zürich sowie die Konzentration der Entscheidungsbefugnisse bei dort ansässigen Personen sprachen klar für die Annahme des Ortes der tatsächlichen Verwaltung in Zürich.

Zudem gelang es den Holdinggesellschaften nicht, den Nachweis über eigene Geschäftsräumlichkeiten (über die Domiziladresse hinaus) oder eine sonstige substanziierte Präsenz im Kanton des statutarischen Sitzes (Zug bzw. Obwalden) zu erbringen.

Bemerkenswert ist, dass das Bundesgericht in einem aktuellen Entscheid betreffend eine Holdinggesellschaft (Urteil 9C_424/2024 vom 29. April 2025) zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden hat. Es bestätigte das Steuerdomizil der Gesellschaft am Sitz im Kanton Obwalden. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Steuerbehörde nicht nachweisen konnte, dass die wesentlichen Unternehmensentscheide schwergewichtig an einem bestimmten Ort im Kanton Zürich getroffen und die Geschäfte dort geführt worden seien. Mehrere mögliche Anknüpfungspunkte genügen hierfür nicht. Interessant ist zudem, dass das Bundesgericht auch ohne Nachweis von Mietaufwendungen im Kanton Obwalden das Steuerdomizil dort bejahte.

Wichtig ist: Verfügt eine Holdinggesellschaft über keine oder nur sehr geringe Substanz an ihrem statutarischen Sitz, bedeutet das nicht automatisch, dass die Verwaltung am Wohnsitz des Geschäftsführers stattfindet. Die Steuerbehörde muss vielmehr nachweisen können, dass die wesentlichen Unternehmensentscheide zumindest schwergewichtig an einem bestimmten Ort im Kanton getroffen werden.

Praktische Auswirkungen der Entscheide

Traditionell konnten Holdinggesellschaften mit minimaler operativer Tätigkeit auf formelle Kriterien wie statutarischer Sitz und rudimentäre Infrastruktur abstellen, um ihren steuerlichen Sitz zu begründen. Die jüngsten Entscheide des Bundesgerichts bestätigen jedoch einen klaren Trend: Steuerbehörden prüfen zunehmend den Ort der tatsächlichen Verwaltung und stellen den formellen Sitz vermehrt infrage. Diese Praxis erweist sich als besonders problematisch, wenn sich die Tätigkeit der Holdinggesellschaften im Wesentlichen auf das Halten von Beteiligungen beschränkt und die Aufgaben des Geschäftsführers nur wenige Entscheide pro Jahr umfassen.

Basierend auf dem Vorgehen der Zürcher Steuerbehörden und der Praxis des Bundesgerichts sollten insbesondere folgende Strukturen aus steuerlicher Sicht sorgfältig geprüft werden:

  1. Eine Holdinggesellschaft mit Sitz in einem Kanton, die zu 100 % eine operativ tätige Tochtergesellschaft in einem anderen Kanton hält,
  2. deren Aktionäre und/oder Verwaltungsräte ihren Wohnsitz in diesem anderen Kanton haben, und
  3. diese zugleich als Verwaltungsräte in der Tochtergesellschaft tätig sind.

In solchen Konstellationen besteht ein erhöhtes Risiko, dass der Ort der tatsächlichen Verwaltung dem Wohnsitzkanton der Verwaltungsräte (und nicht dem Sitzkanton) zugerechnet wird – mit potenziellen Folgen im Bereich der interkantonalen Steuerhoheit.

Es ist zu erwarten, dass die kantonalen Steuerverwaltungen solche Strukturen künftig verstärkt ins Visier nehmen werden, insbesondere wenn zusätzliche Anhaltspunkte für die tatsächliche Verwaltung im Wohnsitzkanton der Verwaltungsräte bzw. Alleinaktionäre vorliegen.

Empfehlung: Holdinggesellschaften mit vergleichbaren Strukturen sind gut beraten, die steuerlichen Risiken frühzeitig zu analysieren und Massnahmen zu ergreifen, um das Steuerdomizil am statutarischen Sitz glaubhaft nachzuweisen.

Unser Tax Team unterstützt Sie gerne bei der Risikoanalyse und bei allen weiteren Fragen rund um Holdinggesellschaften und interkantonale Doppelbesteuerung.