Neue Regeln für die Versicherungsverteilung
Neue Regeln für den Versicherungsvertrieb in der EU
Die IDD regelt nicht nur den Versicherungsvertrieb durch Vermittler, sondern neu auch den Direktvertrieb durch Versicherungsunternehmen. Die IDD schreibt das generelle Prinzip der Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität im besten Interesse des Kunden vor. Von diesem Grundsatz leiten sich diverse Pflichten ab.
Zentraler Aspekt der neuen IDD sind die gesteigerten Pflichten im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten (u.a. fondsanteilgebundene Lebensversicherungen). Schwerpunkt bildet die Vermeidung von Interessenkonflikten. Dies führt zu erhöhten Anforderungen bezüglich Vergütungen, gesteigerten Informationspflichten, Pflichten im Rahmen der Beratung sowie Aufzeichnungs- und Berichtspflichten.
In diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen ist die Verordnung (EU) 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte ("PRIIP-VO"), welche in der EU seit dem 31. Dezember 2016 gilt. Zu den PRIIPs gehören unter anderem fondsanteilgebundene Lebensversicherungen. Die PRIIP-VO verpflichtet die Hersteller von PRIIPs zur Erstellung eines Basisinformationsblatts ("KID"), dessen Format und Inhalt verbindlich vorgeschrieben sind. Die Vertreiber von PRIIPs sind verpflichtet, das KID an die Kunden auszuhändigen. Das KID soll für den Kunden den Produktvergleich und die Risikoanalyse erleichtern.
Umsetzung im EWR-Mitgliedstaat Liechtenstein
In der Erwartung, dass die IDD und die PRIIP-VO auch in das EWR-Abkommen übernommen und damit auch für den EWR-Staat Liechtenstein verbindlich werden, hat Liechtenstein eine Neukodifikation ihres innerstaatlichen Rechts über den Versicherungsvertrieb ("Versicherungsvermittlungsgesetz") vorgenommen. Derzeit berät der liechtensteinische Landtag über den Entwurf zur Totalrevision des Versicherungsvermittlungsgesetzes (neu "Versicherungsvertriebsgesetz"). Die PRIIP-VO gilt mit Übernahme in das EWR-Abkommen auch in Liechtenstein unmittelbar.
Bedeutung dieser Entwicklung für Schweizer Versicherungsunternehmen und -vermittler
Liechtenstein und die Schweiz haben die grenzüberschreitende Tätigkeit von Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern in den Hoheitsgebieten Schweiz und Liechtenstein im Abkommen betreffend die Direktversicherung sowie die Versicherungsvermittlung ("Direktversicherungsabkommen") geregelt. Schweizerische Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler dürfen über das Direktversicherungsabkommen das Versicherungsgeschäft bzw. die Vermittlungstätigkeit in Liechtenstein ohne zusätzliche Bewilligung betreiben. Sie unterstehen in Liechtenstein den gleichen Bestimmungen wie Versicherungsunternehmen bzw. Versicherungsvermittler in einem EWR-Staat. Damit müssen auch Schweizerische Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler das neue liechtensteinische Versicherungsvertriebsgesetz und die PRIIP-VO einhalten, sobald diese in Kraft treten bzw. in das EWR-Abkommen übernommen werden.
Das geltende Direktversicherungsabkommen basiert auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit der Regulierung von Liechtenstein und der Schweiz. Die Gleichwertigkeit ist nun mit der Totalrevision des liechtensteinischen Versicherungsvermittlungsgesetzes und der Gültigkeit der PRIIP-VO in Liechtenstein zu überprüfen. Dies wird jedoch nicht im Rahmen der Revision des liechtensteinischen Versicherungsvermittlungsgesetzes, sondern gesamthaft angegangen. Dabei ist auch der Tatsache Beachtung zu schenken, dass die Schweiz momentan ebenfalls erwägt, die Anforderungen an den Vertrieb zu verschärfen. Allerdings hat nun nach dem Ständerat auch der Nationalrat in der Herbstsession 2017 beschlossen, Versicherer und Versicherungsvermittler aus dem Geltungsbereich des neuen Finanzdienstleistungsgesetzes ("FIDLEG") auszunehmen und den Ausbau des Kundenschutzes bei ihrer Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes ("VAG") zu regeln. Die Verschärfung der Regeln für den Vertrieb von Versicherungsprodukten wurde damit in der Schweiz zeitlich weiter nach hinten verschoben. Ob und inwiefern das Direktversicherungsabkommen deshalb angepasst werden muss, wird derzeit überprüft.