Informationsaustausch auf der Grundlage gestohlener Bankdaten?

Die Argumentation des Obersten Gerichtshofs

Das Bundesgericht hat diesen Entscheid der Vorinstanz nun in einem neuen, umstrittenen Leitentscheid aufgehoben und entschieden, dass die ESTV doch Amtshilfe leisten muss. Bemerkenswert ist dabei die Begründung des Bundesgerichts: Für das Gericht entscheidend war die Tatsache, dass der Diebstahl der Daten nicht in der Schweiz, sondern in Frankreich erfolgte. In der sehr ausführlichen Begründung legte das Bundesgericht dar, dass der Datendiebstahl in Frankreich in der Schweiz effektiv gar nicht strafbar war. Auf den Datendiebstahl in Frankreich komme nämlich weder das Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) zur Anwendung, noch sei durch das Entwenden der Daten das schweizerische Bankgeheimnis verletzt worden. Weil kein schweizerisches Recht verletzt worden sei und weil die Schweizer Justizbehörden für den Datendiebstahl in Frankreich entsprechend nicht zuständig sind, basiere das vorliegende Amtshilfeersuchen nicht auf Informationen, die durch Handlungen erlangt worden sind, die in der Schweiz strafbar waren. Soweit also keine Handlungen vorliegen, die in der Schweiz strafbar sind, verstösst nach Ansicht des Bundesgerichts ein Austausch von Informationen auch nicht gegen das im Steueramtshilfegesetz festgehaltene Prinzip von Treu und Glauben.

Auswirkung der Entscheidung

Führt man die Gedanken des Bundesgerichts weiter, so drängt sich der Schluss auf, dass ein Austausch von Steuerinformationen jedenfalls dann gegen das Prinzip von Treu und Glauben verstösst, wenn das Amtshilfegesuch auf Informationen beruht, die in Verletzung des schweizerischen Rechts beschafft worden sind und damit strafbare Handlungen vorliegen, für welche die schweizerischen Behörden zuständig sind. In Fällen wie beim Datendiebstahl bei der HSBC Bank in Genf durch den ehemaligen Informatiker der Bank, Hervé Falciani, ist diese Voraussetzung ohne Zweifel erfüllt: Wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst (Art. 273 Abs. 2 StGB) verurteilte das Bundesstrafgericht in Bellinzona Falciani zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Folgt man also der Logik des nun ergangenen Bundesgerichtsurteils, darf die ESTV konsequenterweise bei all den Gesuchen keine Amtshilfe leisten, die sich auf Informationen aus diesem Datendiebstahl bei der HSBC in Genf abstützen. Dies wären gute Neuigkeiten für die zahlreichen betroffenen Bankkunden der HSBC Genf, vor allem aus Frankreich und Indien, die gegenwärtig von solchen Amtshilfeersuchen betroffen sind. Allerdings hat sich das Bundesgericht noch nicht zu diesen Fällen geäussert. Das letzte Wort zu diesem Thema ist also nicht gesprochen.