Grenzüberschreitende Versicherung: Schweiz-Liechtenstein / Liechtenstein-EU

Grenzüberschreitende Versicherungen: eine Auffrischung des Passporting-Regimes Schweiz-Liechtenstein und Liechtenstein-EU

Was dem Standort Liechtenstein eine ganz besondere Attraktivität verleiht, ist der Umstand, dass den liechtensteinischen Unternehmen nicht nur auf Grund des Abkommens der Schweizer Markt offen steht, sondern infolge der Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum („EWR“) auch der europäische Markt. Die Situation von Liechtenstein in Bezug auf das grenzüberschreitende Versicherungsgeschäft ist einmalig.

Diese spezielle Situation des grenzüberschreitenden Vertriebs von Versicherungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz, einerseits, und zwischen Liechtenstein und der Europäischen Union („EU“), andererseits, weckte in jüngster Zeit vermehrt das Interesse von Seiten der Versicherungsindustrie. Deshalb lohnt es sich, die Regeln des grenzüberschreitenden Vertriebs in Erinnerung zu rufen.

Beziehung zwischen der Schweiz und Liechtenstein

Voraussetzungen für den grenzüberschreitenden Direktvertrieb durch Versicherungsunternehmen

Will ein liechtensteinisches Erstversicherungsunternehmen im freien Dienstleistungsverkehr in der Schweiz Versicherungen abschliessen, so ist die Aufnahme und Ausübung einer solchen Tätigkeit nur zulässig, wenn die liechtensteinische Aufsichtsbehörde (die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein („FMA“)) der schweizerischen Aufsichtsbehörde (die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht („FINMA“)) bestimmte Angaben macht. Dies sind insbesondere Informationen zur Solvabilitätsspanne des Versicherers und über die in Liechtenstein bewilligten Versicherungszweige sowie Angaben zur Art und Natur der Risiken, welche in der Schweiz gedeckt werden sollen. Sobald der FINMA diese Angaben vorliegen, darf das liechtensteinische Unternehmen seine Versicherungstätigkeit in der Schweiz aufnehmen. Eine gesonderte Bewilligung der FINMA braucht es somit nicht.

Ähnliches gilt für ein Schweizer Erstversicherungsunternehmen, welches im freien Dienstleistungsverkehr in Liechtenstein tätig werden möchte. In diesem Fall hat das Unternehmen die FINMA zu informieren und ihr anzugeben, welche Versicherungszweige in Liechtenstein betrieben und welche Risiken gedeckt werden sollen. Die FINMA prüft innerhalb eines Monats nach Eingang der erforderlichen Angaben die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Bei Unbedenklichkeit teilt sie dies der FMA mit und der Versicherer kann in Liechtenstein tätig werden. Eine gesonderte Bewilligung der FMA braucht es ebenfalls nicht.

Kein Direktvertrieb durch Zweigniederlassungen

Das gilt nur für Versicherungs-Hauptunternehmen. Die Zweigniederlassung einer (oftmals ausländischen) Versicherungsgesellschaft kann nicht vom Abkommen profitieren. Ein Versicherer, welcher Versicherungen im Direktvertrieb im anderen Land verkaufen will, muss im Herkunftsstaat Schweiz oder Liechtenstein den Sitz haben – eine Agentur, Repräsentanz oder Niederlassung genügt nicht.

Konkret heisst das, dass eine Schweizer Zweigniederlassung eines bspw. britischen Versicherungsunternehmens keine Versicherungspolicen in Liechtenstein anbieten darf. Und genauso wenig darf eine Niederlassung eines bspw. deutschen Versicherers in Liechtenstein über diese Niederlassung Policen in die Schweiz verkaufen.

Die grenzüberschreitende Tätigkeit der Versicherungsvermittler

Versicherungsvermittler, die im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei registriert sind, kommen auch in den Genuss des Abkommens und dürfen ihre Vermittlertätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ohne zusätzliche Bewilligung oder Registrierung betreiben. Bedingung ist allerdings, dass die Berufshaftpflichtversicherung des Versicherungsvermittlers die Gebiete Liechtenstein und Schweiz umfasst.

In Liechtenstein registrierte Versicherungsvermittler, die in der Schweiz tätig werden wollen, müssen dies jedoch vorgängig der FMA mitteilen. Sie können ihre Tätigkeit aufnehmen, sobald sie ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sind – die FINMA muss in diesem Fall nicht informiert werden.

Die in der Schweiz registrierten Versicherungsvermittler können in Liechtenstein tätig werden, ohne die Aufsichtsbehörden zu informieren. Sie müssen weder die FMA noch die FINMA vor Aufnahme der grenzüberschreitenden Tätigkeit benachrichtigen.

Rückversicherung vom Abkommen nicht erfasst

Das Abkommen deckt die (reine) Rückversicherung nicht ab, da diese zwischen den beiden Ländern ohnehin bewilligungsfrei möglich ist.

Für die Schweiz gilt, dass Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland, die in der Schweiz nur die Rückversicherung betreiben, von der Schweizer Aufsicht ausgenommen sind. Entsprechend dürfen liechtensteinische Rückversicherer ohne Bewilligung in der Schweiz tätig sein.

Dasselbe gilt für die Rückversicherungsgeschäfte von der Schweiz nach Liechtenstein. Versicherungsunternehmen, welche im Fürstentum Liechtenstein nur die Rückversicherung betreiben, sind von der liechtensteinischen Aufsicht ausgenommen, sofern sie im Herkunftsstaat einer im Vergleich zum Inland gleichwertigen Aufsicht unterstehen.

Eine Erleichterung, aber kein Freipass

Das Abkommen erlaubt es den Erstversicherern wie auch den Versicherungsvermittlern, welche in Liechtenstein oder der Schweiz über eine Versicherungsbewilligung verfügen bzw. als Vermittler registriert sind, über die Grenze hinweg direkt tätig zu werden. Versicherungsunternehmungen und Vermittler dürfen die Produkte grundsätzlich frei verkaufen, ohne im anderen Hoheitsgebiet bei der Aufsichtsbehörde persönlich vorstellig werden oder eine Bewilligung einholen zu müssen. Sie müssen zur Ausübung der Tätigkeit weder einen Unternehmenssitz noch eine Niederlassung begründen.

Dadurch, dass das Abkommen jedoch keine grenzüberschreitende Versicherung über Niederlassungen gewährt, bildet es kein Tor zum EU/ERW-Raum. EU/EWR-Versicherer können über eine Niederlassung in Liechtenstein nicht einen ‚erleichterten‘ Weg in die Schweiz finden. Auch kann ein Schweizer Versicherer, welcher eine Niederlassung in Liechtenstein gründet, nicht über diese Unternehmenseinheit in den EU/ERW-Raum Policen direkt verkaufen. Vom Abkommen unberührt ist zudem die Rückversicherung, deren Geschäft ohnehin grenzüberschreitend möglich ist.

Schliesslich sind wie immer bei der Gestaltung des grenzüberschreitenden Geschäfts die Besonderheiten des jeweiligen nationalen Rechts zu berücksichtigen. So bestehen im Schweizer und/oder liechtensteinischen Recht z.B. Sonderbestimmungen zu einzelnen Versicherungszweigen (beispielsweise betreffend die Motorfahrzeug-, Elementarschaden- oder Krankenversicherung) sowie zwingende versicherungsvertragsrechtliche Vorschriften wie zum Beispiel zum Gerichtsstand, welche es zu beachten gilt.

Beziehung zwischen Liechtenstein und der EU

Seit dem Beitritt von Liechtenstein zum EWR im Jahre 1995 haben liechtensteinische Versicherungsunternehmen freien Zugang zum europäischen Markt.

Die Dienstleistungsfreiheit erlaubt es dem liechtensteinischen Versicherungsunternehmen, seine Produkte im gesamten EU/EWR-Raum ohne zusätzliche Bewilligung zu vertreiben. Bezüglich der Lebensversicherung ist seit der Umsetzung der Dritten Leben-Richtlinie vor der Aufnahme einer Vertriebstätigkeit eines liechtensteinischen Versicherers im EU/EWR-Raum nur die Notifikation der Aufnahme des Vertriebs an die FMA erforderlich, welche diese Notifikation an die zuständige ausländische Aufsichtsbehörde weiterleitet.

Gleich wie im Verhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein ist bei der Produktegestaltung im grenzüberschreitenden Vertrieb auf die entsprechenden nationalen Rechte Rücksicht zu nehmen. Das gilt nicht nur in Bezug auf die steuerlichen Besonderheiten im Vertriebsland, sondern insbesondere auch im Bereiche des Zivilrechts (zwingende versicherungsvertragsrechtliche Bestimmungen) und des Konsumentenschutzes.